Teeseminar in TRES

 Ich muss mit Schande gestehen, dass ich das mit dem Bloggen dieses Mal noch nicht so richtig hinbekomme. Dadurch, dass ich bei diesem Aufenthalt einen "richtigen" Job habe und sowieso den ganzen Tag am PC sitze habe ich immer noch keine Routine aufgebaut. Entschuldigung, dass ich also kaum Abwechslung in den tristen Coronaalltag bringen kann. Damit ihr aber keinen Beitrag verpasst empfehle ich euch den Blog zu abonnieren, denn wenn denn mal ein Betrag kommt, seid ihr durch E-Mail-Nachricht up-to-date.

Glücklicherweise ist es hier nämlich gar nicht trist, sondern weiterhin ziemlich cool. Ein besonderes Erlebnis hatte ich letzte Woche: ein einwöchiges Teeseminar bei der taiwanesischen Teebehörde. Eine Woche Seminar über Tee? Was ist los mit ihm?? Vielleicht nochmal bisschen was zum Hintergrund.

Gruppenfoto ohne Maske

Gruppenfoto mit Maske und Daumen

In den letzten Jahren ist mein Interesse an Tee immer größer geworden. Ehrlich gesagt habe ich mich früher gar nicht für Tee interessiert. Ich glaube es gibt viele, die das bestätigen können. Bevor es früher zur Schule ging hat meine Mutter jeden Tag eine Tasse Tee (Bancha) zum Frühstück vorbereitet. Dafür erstmal ein großes Dankeschön. Ich bin kein großer Frühaufsteher und auch kein Frühteetrinker und die morgendliche Tasse Tee war damals eine große Herausforderung, die ich oft nicht gemeistert habe. Denn zuerst war der Tee, der damals in einem Topf gekocht, also nicht gebrüht wurde, viel zu heiß, so dass ich ihn gar nicht trinken konnte ohne mir den Mund zu verbrennen und dann war er entweder zu kalt oder wurde kurz vor der Abreise mit Wasser verdünnt und dann zu kalt oder immer noch zu heiß. Aber diesen zu trinken war eine Pflicht und so wurde dieser, während die anderen schon aus der Haustür waren noch schnell runtergekippt. Oder auch nicht - mit dem von mir nicht getrunkenen Tee kann man bestimmt einen Teich füllen. Und so trinke ich immer noch nicht gerne Tee zum Frühstück und kippe diesen auch jetzt noch häufig nach diesem auf Ex runter. Das kann euch Katharina bestimmt bestätigen. Hier möchte ich auch nicht unerwähnt lassen, dass ich der Meinung bin, dass die großen Teetassen, die wir in Europa und sonst überall verwenden für einen ordnungsgemäßen Teegenuss ungeeignet ist.



Mein jetzt nun doch sehr großes Interesse für Tee hat viel mit meiner Zeit in Asien zu tun. Denn hier hatte ich in den letzten Jahren einige erinnerungswürdige Erlebnisse und wurde mehrmals von völlig Fremden auf ein Tässchen Tee eingeladen. Diese Herren waren meist etwas ältere Semester, die an ihrem vom Leben vorgesehen Platz saßen und standen, eine ungemeine Ruhe ausstrahlten, kein Englisch konnten und den Anschein machten als ob sie schon seit Stunden, Tagen oder Jahren Tee tranken. Tee, der es uns erlaubt hat trotz der Sprachbarriere in Kontakt zu treten und über den man seine paar Wörter chinesisch austauschen konnte. Tee, der ausgezeichnet geschmeckt hat. Eine Erinnerung war mit Lihong am Sun Moon Lake (2013) als wir uns bei schlechtestem bzw. immer schlechter werdenden Wetter für eine E-Bike-Tour um den See entschieden. Es war neblig, man sah nur wenige Meter, es wurde dunkel und irgendwann war auch der Akku der Räder alle. E-Bike ohne e macht gar keinen Spaß. Wir kamen an eine Polizeistation und wurden von einem freundlichen Polizisten (ex post fasse ich das auch nicht, aber das ist Taiwan) hereingebeten und dieser machte uns erstmal einen Tee. Auch in Peking mit Han und Milan waren wir in einem Geschäft und wollten uns nur mal umschauen, wurden dann mit Tee beschenkt, und daraus ergab sich ein schönes, unspektakuläres Erlebnis.

Zurück in Österreich habe ich mich dann intensiver mit Tee beschäftigt, Bücher gelesen, Teeaccessoires gekauft, Freunde und Familie zur Teezeremonie eingeladen, guten Tee getrunken und viele schöne Momente erlebt. Deswegen war die taiwanesische Teekultur auch ein wichtiger Pullfaktor wieder herzukommen. Als wir aus der Quarantäne gekommen sind war ich deswegen auch sehr froh mal wieder einen tollen Taiwantee zu trinken. Katharina und ich sind auf Yoshan gestoßen. Eine taiwanesische Teemarke die auch in der Nähe der Uni einen kleinen Flagshipstore hat und da wurde mir das Teeseminar der Tea Research and Extension Station (TRES), eine Regierungsbehörde für Teeforschung, empfohlen. Ich habe mich beworben (mit Motivationsschreiben etc.), wurde genommen und bin eines montags morgen sehr früh aufgestanden und zur TRES gefahren (2 Stunden von Taipeh entfernt).

Die TRES ist eine taiwanesische Behörde, die mit Teeforschung in allen Bereichen betraut ist. Hier werden neue Teepflanzen gezüchtet, zu Dünger, Pestiziden und Schädlingen geforscht, Tees bewertet, die Teekultur gefördert und vieles mehr. Das Portfolio ist wirklich sehr weitreichend, aber auch beeindruckend. Viele der von taiwanesischen Teebauern angebauten Teepflanzen wurden hier entwickelt. Normalerweise werden hier auch angehende Teebauern ausgebildet, aber ein Mal im Jahr wird ein Kurs für Ausländer auf Englisch angeboten.

Taiwan in Fried-Rice-Form. Der Kurs war etwa beim nördlichsten Stück Fleisch

An jenem besagten Montag kam ich also auf der TRES an und habe mich zum Seminarraum durchgeschlagen. Das Gelände erinnert ein bisschen an eine Kaserne (ich wurde ausgemustert, also so stelle ich mir jedenfalls eine Kaserne vor). Es gibt Schlafsäle, Essensraum, verschiedene Produktionshallen etc. auf engem Raum und außen herum sind einige Teefelder. Im Klassenzimmer war schon alles vorbereitet (kleine und große Teetassen, Kursmaterialien und andere Goodies). Jeder Teilnehmer hat auch direkt eine Nummer und einen festen Sitzplatz zugewiesen bekommen. Durch meinen Nachnamen hatte ich die Ehre die Nummer 1 zu sein und saß in der ersten Reihe links. Nach einigen einführenden Worten und Willkommensgrüßen allerlei wichtiger Menschen startete die erste Vorlesung: Teesorten in Taiwan.


Hier eine kleine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse: Es gibt in Taiwan X verschiedene Teesorten: Grüntee (綠茶), Baozongtee (包種茶), High Mountain Oolong Tee (高山烏龍茶), Dongding Oolong Tee (凍頂烏龍茶), Tieguanyin Tea (鐵觀音), Oriental Beauty (東方美人), kleinblättriger Schwarztee (小叶紅茶) und großblättriger Schwarztee (大叶紅茶). Außerdem gibt es seit ein paar Jahren eine Neuentwicklung: roten Oolongtee. Diese Tees unterscheiden sich im Wesentlichen durch die Herstellungsweise. Mit Ausnahme von großblättrigem Schwarztee lassen sie sich alle mehr oder weniger aus dem gleichen Busch herstellen. Vereinfacht gesprochen kommt es vor allem darauf an, wie lange sie nach der Ernte an der frischen Luft liegen bleiben, wie sie danach gebacken werden, ob sie danach gerollt werden und wie sie geröstet werden, etc. Eine Besonderheit vielleicht noch: Der teuerste Tee, Oriental Beauty zeichnet sich dadurch aus, dass ein Schädling (kleiner Blatthüpfer genannt) die Teeblätter gebissen hat. Das gibt dem Tee ein besonderes Honigaroma. Deswegen versuchen manche Bauern das Insekt dazu zu animieren ihre Teepflanzen zu befallen. Aber die Grashüpfer sind wählerisch, so einfach lassen sie sich nicht dazu überreden am Teestrauch zu saugen. Experimente haben gezeigt, dass sie lieber sterben als gezwungenermaßen Teepflanzen anzufallen. Deswegen bleibt Oriental Beauty wohl auch weiterhin was Besonderes und entsprechend teuer.

Großblättriger Schwarztee

Kleinblättriger Schwarztee


Oriental Beauty

Tie Guan Yin

Dong Ding Oolong

High Mountain Oolong

Baozongtee

Grüntee

Falls Interesse besteht kann ich dies auch alles noch genauer erklären, aber ich glaube ich verliere die verbleibenden zwei Leser, wenn ich hier noch weiter in die Tiefe gehe! Falls ihr euch fragt, was wir in Deutschland normalerweise trinken: großblättrigen Schwarztee.

Außerdem gab es am ersten Tag noch weitere Einheiten zu verschiedenen Teepflanzen und deren Unterschiede, eine Werksführung und vieles mehr. Abends dann ein Tea Cupping besonderer Tees, die in den letzten Jahren bei irgendwelchen Wettbewerben einen Preis bekommen haben. Tea Cupping bedeutet (vereinfacht), dass 3 g Tee mit 150 ml, mit 100°C heißem Wasser übergossen werden und das Ganze dann für 5 Minuten ziehen gelassen wird. Das ist natürlich viel länger als normalerweise. Das Ziel ist es dabei, verschiedene Stärken und Schwächen eines Tees besser herausschmecken zu können. Dadurch wird der Tee aber sehr stark (teilweise etwas bitter, so dass es einen (fast) schüttelt). Danach bin ich aber so müde ins Bett gefallen, dass mich der Tee nicht wachgehalten hat.

Tea Cupping Set-up

Der zweite Tag war ebenfalls sehr interessant. Neben verschiedenen Schädlingen und Teekrankheiten haben wir uns mit dem richtigen Anbau von Tee, der korrekten Düngung und mit der Chemie zu Tee auseinandergesetzt. Meine chemischen Kenntnisse sind leider sehr eingerostet aber das Ganze war dennoch sehr interessant. Leider hat der Vortragende teilweise zwischen englisch und chinesisch gewechselt, so dass ich nicht immer alles mitnehmen konnte.

Das Essen im TRES war übrigens gut

Der dritte Tag war der Anwendung der bisherigen Kenntnisse gewidmet. Wir haben also unseren eigenen (großblättrigen schwarzen) Tee hergestellt. Pflücken mussten wir diesen nicht, das wurde schon am Vortag für uns erledigt. Dafür musste der Tee erstmal 90 Minuten gerollt werden. Erst eine Stunde ganz leicht, dann eine halbe Stunde etwas fester. Dabei sollen die Teeblätter vorsichtig geöffnet werden. Wichtig ist es aber, dass man nicht zu fest drückt (dann wird der Tee zu bitter) und nicht zu sanft vorgeht (dann wird der Tee zu lasch). Danach wird der Tee zu einem Haufen geformt und ruht nochmal gute drei Stunden. Schließlich wird der Tee getrocknet. Dafür wird dieser wieder ausgebreitet und für eine Stunde bei 100°C belüftet. Eh voilà: Schwarztee. Ein Highlight war, dass wir auch noch ein Tea Cupping von unseren eigenen Tees machen durften und Mister Lin diesen dann bewertet hat. Dazu muss man wissen, dass Mister Lin in der taiwanesischen Teeindustrie ein großer Fisch ist. Er ist tatsächlich sowas wie eine Berühmtheit, weil er bei vielen Wettbewerben in der Jury ist. Mit großem Stolz hat es mich deshalb erfüllt, dass Mister Lin meinen Tee als 不錯 wörtlich "nicht schlecht" bewertet hat. 不錯 bedeutet aber eigentlich mehr sowas wie "ziemlich gut, richtig, gut, richtig gut" und ist somit ein wirklich großer Erfolg für mich! Einer – wenn nicht der – größte Teeverkoster Taiwans nennt meinen Tee gut! Ich bin sehr stolz und kann ihm nur beipflichten: meine Tee ist wirklich durchaus genießbar. Mister Lin bemängelt nur, dass er etwas grasig ist, aber das liegt vor allem daran, dass man Schwarztee eher im Sommer herstellen sollte. Dieser Tee wird durch längere Lagerung noch besser und sollte erst in sechs Monaten getrunken werden. Ich freue mich euch mal einen Aufguss davon zu servieren.

Am Vorabend gepflückte Teeblätter

They see me rollin'

Gerollter Tee

Nach dem Rollen nochmal oxidieren und

in den Ofen
Bewertung
"Mein" Tee



Mein Tee beim Cupping



Ein weiterer Teil der Ausbildung war das Erkennen der oben benannten Teesorten. Vereinfacht gesagt geht es dazu anhand des Geschmacks, der Farbe des Tees, der getrockneten Blätter und der Blätter nach dem Aufguss zu erkennen. Das ist gar nicht so leicht wie es klingt hat aber total Spaß gemacht und mit ein bisschen Übung lernt man das auch ganz gut. Dazu gab es dann auch einen Test.

Test

Erschmecken von Tee

Mister Lin testet unsere Tees

Tag 4 war der traditionellen Teezeremonie gewidmet. Dazu kam eine Teekünstlerin mitsamt Gefolge und hat die verschiedenen Schritte der Teezeremonie erklärt. Diese ist relativ ritualisiert (jedes der siebzehn Teeutensilien hat seinen festgelegten Platz, jede Handbewegung ist genau festgelegt, genauso, wie die Richtung, in die die Teekanne gedreht werden soll etc.). Es erfordert viel Konzentration die Zeremonie durchzuführen. Doch erfüllt es einen mit viel Ruhe, den Tee so zuzubereiten. Ich habe dies als sehr beruhigend wahrgenommen und möchte mich dazu noch weiter fortbilden. Leider musste ich dann doch etwas früher nach Taipei zurück, da meine Studis an dem Tag die Midterm-Klausur geschrieben haben und ich diese beaufsichtigen musste.



Am Freitag war der Besuch auf der Teemesse in Taipei angesetzt. Gemeinsam mit Mister Lin sind wir von Stand zu Stand und haben Teetasse um Teetasse eingeschenkt bekommen und Tasse um Tasse geleert. Insgesamt waren es wohl um die 90 Tässchen Tee. Mein Harndrang erreichte unbekannte Höhen. Aber geschmacklich war es super: Nachdem man vier Tage lang nur viel zu starken Tea-Cupping-Tee getrunken hat, freut man sich über einen "normalen" milden, aromatischen Tee. Die Berühmtheit von Mister Lin wurde hier besonders offensichtlich. Die meisten Verkäufer waren hocherfreut ihn zu sehen, haben den besten Tee für uns aufgebrüht und fast alle wollten ein Foto mit Mister Lin. Er war dort ein Popstar! Die Tees, die ich dort trinken durfte, waren vielmals außergewöhnlich. Als ich danach nochmal alleine durch die Messe geschlendert bin, waren die meisten Verkäufer zwar immer noch freundlich, aber nicht ganz so freundlich wie mit Mister Lin.

Der Stand einer Klassenkameradin und ihres Mannes (rechts)

Popstar Mr. Lin
Messestand


Messe

Samstags waren wir dann nochmal auf die Teemesse geladen. Allerdings als besonders geladene Gäste. Denn die TRES hat die taiwanesischen Tea Flavor Wheels auf englisch und japanisch enthüllt. Dies soll dabei helfen den Geschmack eines Tees zu bewerten. Um dieses Ereignis wurde ein großes Event gemacht, inklusive Einladung der Botschafter des Königreichs Eswatini und Honduras (zwei der 14 Staaten, die Taiwan offiziell anerkennen), futuristische Leuchtkugel auf der das Flavor Wheel präsentiert wurde etc. Besonderes Highlight: im Rahmen dieser Veranstaltung wurde uns auch das Teilnahmezertifikat für den Kurs überreicht. Hervorragend.

Urkundenüberreichnung


Hurra
Katharina hat auf der Messe auch was zu essen gefunden

Daumen hoch! 

Ein positiver Nebenaspekt des Teeseminars war es andere Teeenthusiasten kennenzulernen. Andere Kursteilnehmer waren Ausländer, die in eine Teebauernfamilie eingeheiratet haben, Teelehrer, Teehändler, aber wegen der Coronapandemie auch einige Taiwanesen, die sich für Tee interessieren. Durch die Gespräche in der Pause konnte ich einige interessante Bekanntschaften machen.

Insgesamt war die Teilnahme an diesem Kurs eine wunderbare und lehrreiche Erfahrung. Ich fühle mich mittlerweile nun nicht mehr halb verloren, wenn ich Tee trinke und zubereite und kann die eine oder andere Anekdote zum Besten geben. Hoffentlich bald auch für euch!

 

Teeflavor wheel



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